Formeller Ausdruck des „kaum Könnens“ ~がたい

Die verbale Anschlussform ~がたい (Kanji: ~難い) dient dazu, um die Unmöglichkeit, Unfähigkeit, oder zumindest die Schwierigkeit (siehe Kanji), eine Aktion zustande zu bringen, auszudrücken. Die Übersetzung für das ~がたい lautet je nach Kontext zwar unterschiedlich, aber die Formulierungen „kaum V-bar“ im Sinne von etwa „kaum erziehbar“ oder kaum „un-V-lich/ig“ wie etwa bei „unzertrennlich“ kommen immer wieder vor. In dem Sinne ist ~がたい mit der negierten Potentialform ~られない (z.B. 忘れらない人 eine unvergessliche Person oder 私は魚が食べられません。 Ich kann keinen Fisch essen.) vergleichbar. Der Anschluss zum ~がたい erfolgt beim 強V über den i-Laut („masu-Form-Anschluss“). Je nach Kontext wird mit ~がたい, dass sich im Übrigen wie ein VA verhält (z.B. ~がたくない、~がたかった etc.), zum einen die Unmöglichkeit, etwas zu tun, ausgedrückt. Zum anderen kann in einem Gespräch (Dialog) auf eine Frage hin mit einem ~がたい eine ablehnende Antwort indirekt und somit schonend formuliert werden. Wenn wir beispielsweise 忘れがたい人 sagen, handelt es sich um eine „unvergessliche Person“, wobei das ~がたい hier ein entschiedenes nicht Können zum Ausdruck bringt. Dagegen bedeutet etwa die Aussage その意見のは賛成(さんせい)しがたいです。 „Ich fühle mich außerstande, dieser Meinung zuzustimmen.“ zwar vom Inhalt her nichts weiter als „Ich bin dagegen!“, aber von der Formulierung her, wie sie aus der Übersetzung entnehmen können, ist diese Aussage sehr vorsichtig formuliert.
Bedingt durch den formellen Charakter von ~がたい können nicht beliebige Verben damit kombiniert werden. Es beschränkt sich im Rahmen unseres Kenntnisstandes mehr oder weniger auf folgende Kombination:

改める   erneuern 改めがたい kaum erneuerbar, kaum wieder herzustellen
あきらめる   aufgeben あきらめがたい kaum aufgeben, sich kaum damit abfinden können
答える   beantworten 答えがたい kaum zu beantworten
信じる   glauben 信じがたい kaum zu glauben, unglaubwürdig
(みと)める anerkennen 認めがたい kaum anzuerkennen
()える aushalten 耐えがたい kaum auszuhalten
~する   Nominalverb ~しがたい kaum machbar
賛成(さんせい)する zustimmen 賛成しがたい kaum zustimmbar
(わか)れる sich trennen 別れがたい kaum trennbar
分ける   trennen, teilen 分けがたい kaum trennbar, kaum teilbar
忘れる   vergessen 忘れがたい kaum zu vergessen, unvergesslich
決める   bestimmen 決めがたい kaum zu bestimmen, kaum bestimmbar

Neben der Anwendung der Formulierung mit ~がたい als Prädikat, kommt in der sprachlichen Realität recht häufig auch die attributiv Form (V~がたいN) vor:

ペーター君は私にとって忘れがたい友達です。  
Peter ist für mich ein unvergesslicher Freund.

これは「はい」か「いいえ」では答えがたい質問です。  
Das ist eine Frage, die man kaum mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten kann.

信じがたい話ですが、本当なのだそうです。  
Es ist zwar eine unglaubwürdige Geschichte, aber sie soll wahr sein.

私は試験で59点取りました。60点だったら受かっていたので、とてもあきらめがたいです。  
Ich habe bei der Prüfung 59 Punkte erreicht. Wenn es 60 Punkte gewesen wären, hätte ich die Prüfung bestanden, so dass ich mich kaum damit abfinden kann.

耐えがたい(いた)みだったので、すぐに医者に行きました。痛み=Schmerz
Da die Schmerzen unerträglich gewesen waren, ging ich sofort zum Arzt.

beachte:
Das ~がたい erscheint auf den ersten Blick mit der Formulierung ~にくい („schwer zu tun“ 3. Semester Lektion 6) eine gewisse Ähnlichkeit aufzuweisen, zumal sowohl ~がたい als auch ~にくい die Schwierigkeit bei der Durchführung einer Aktion wiedergibt. Allerdings stellt das ~にくい einen Zustand dar, der unter Einsatz des Willen des Handlungsträgers überwindbar ist. Mit anderen Worten ist beim ~にくい sozusagen die Akutheit noch nicht so weit fortgeschritten, um die Aktion als „unmöglich durchführbar“ abzutun. Wie im Deutschen ist ein 信じにくい話 eine Geschichte, bei der gewisse Faktoren vorhanden sind, die die Wahrheit dieser teilweise infrage stellen, aber dennoch die Geschichte insgesamt als wahr zu bezeichnen ist, während ein 信じがたい話 praktisch nichts weiter als eine in ihrer Authentizität durchweg zweifelhafte Geschichte darstellt. Das weiter lassen sich praktisch beliebige Verben, auch aus dem täglichen Bereich, mit ~にくい verbinden, was bei ~がたい aus genannten Gründen nicht möglich ist. (食べにくいパン geht, aber nicht: 食べがたいパン!)

beachte ferner:
Die Formulierung ありがたい(有り難い) „dankbar“, die ein eigenständiges VA ausmacht, ist wohl auch von der oben genannten Grammatik abgeleitet worden. Die wörtliche Übersetzung „Das Vorhandensein (有る) ist nicht möglich (難い)“ besagt, dass der Zustand eine dermaßen extreme Seltenheit im positiven Sinne darstellt, dass sein Eintreten kaum zu glauben ist, oder dieser Zustand kaum weitere Möglichkeiten zulässt. Daraus leitet sich die Bedeutung der Formulierung „dankbar“ ab, die einen Zustand wiedergibt, der sozusagen unglaublich positiv ist. 有り難いこと ist also nicht etwa eine „unmögliche Angelegenheit“ sondern eine „dankbare Sache“.