Einführung in das japanische Schriftsystem

Einführung
in
das
japanische
Schriftsystem

Allgemeines

Vor der Einführung der chinesischen Schrift (sog. Kanji 漢字:Kan = Name einer chinesischen Dynastie, ji = Schriftzeichen) im Laufe des 5. Jahrhunderts, existierte in Japan keine Schrift. In der Anfangsphase nach der Übernahme dieser Kanji wurden in Japan Schriftstücke zunächst ganz nach dem chinesischen Vorbild (d.h. auch in grammatikalischer und syntaktischer Hinsicht) verfasst Zu diesem Zeitpunkt unterschied sich die geschriebene japanische Sprache somit kaum von ihrem Vorbild. Parallel dazu wurden Versuche unternommen, losgelöst von den syntaktisch-grammatikalischen Eigenheiten des Chinesischen, Kanji als Hilfsmittel zur schriftlichen Wiedergabe der bislang nur mündlich existierenden japanischen Sprache mit seiner vollkommen unterschiedlichen morphologisch-syntaktisch-grammatikalischen Struktur anzuwenden.

Die heute ca. 50.000 zählenden chinesischen Schriftzeichen, die meisten werden aber nur selten genutzt es werden allerdings rund 2000 benötigt um im Alltag aus zu kommen, sind bedeutungstragend, d.h. jedes Kanji besteht aus drei Komponenten:

  1. optisch wahrnehmbares Signal (= ein Gebilde aus Punkten und Strichen)
  2. akustisches Signal ( = ein Tonkomplex)
  3. Bedeutung

Da jedes einzelne Kanji somit auch zur Wiedergabe von einzelnen Begriffen (im weitesten Sinne) dient, spricht man hier von einer Begriffsschrift. [Jedes Zeichen unseres Alphabets besteht dagegen nur aus einem optischen und einem akustischen Signal und gehört zur sog. Lautschrift.] Hier eine Gegenüberstellung beider Schriftarten:

Alphabet
Kanji
optisches
Signal
akustisches
Signal

optisches
Signal
akustisches
Signal
Bedeutung

Beispielsweise wird der Begriff "BAUM" mit dem Kanji 木 dargestellt. Im Deutschen wird derselbe Begriff erst durch Aneinanderreihung von vier Schriftzeichen B-A-U-M, die einzeln betrachtet keine Bedeutung tragen, sichtbar gemacht.
Analyse:

optisches Signal
akustisches Signal
Bedeutung
B+A+U+M
[baum]
Holzgewächs mit Krone, Stamm und Wurzeln.

[ki]
Holzgewächs mit Krone, Stamm und Wurzeln.

Die Übernahme der chinesischen Begriffsschrift brachte der schriftlosen japanischen Sprachgemeinschaft verschiedene Probleme, da mit der Schrift, d.h. dem Japaner fehlenden Ausdrucksmittel, automatisch die gesamte fremde Lautform sowie die Begriffswelt mit ins Land einströmte.
Als eine Form der Adaption ist die Übernahme der chinesischen Schrift als komplette Einheit der drei genannten Komponenten zu nennen. Amtliche Schriftstücke (z.B. kaiserliche Erlasse) aus der ältesten Zeit bis hin zum Ende des 2. Weltkrieges wurden mehr oder weniger nach chinesischem Vorbild und zwar in Anlehnung an ihre Grammatik abgefasst, vergleichbar mit dem Gebrauch des Lateinischen bei ebensolchen Schriftstücken im Abendland. Im Laufe der Zeit erfolgte jedoch eine Abwandlung des akustischen Signals (d.h. Umwandlung der chinesischen Laute in eine für den Japaner aussprechbare Form.) Folgende Beispiele machen diesen Vorgang der Lautveränderung deutlich:

Schriftzeichen   chin. Laut     abgewandelter Laut   Bedeutung
  [shan]     [SAN]   Berg
  [sen]     [SHIN]   Wald
  [tian]     [TEN]   Himmel
  [feng]     [FUU]   Wind
  [di]     [CHI]   Erde
  [ren]     [JIN]   Mensch
  [hua]     [KA]   Blume

Die Gestalt und die Bedeutung der Schriftzeichen blieben dagegen weitgehend unangetastet. Parallel zu dieser Bemühung der Anpassung der Aussprache wurde bereits kurz nach der Übernahme der Begriffsschrift (geschriebene Sprache) versucht, jedes Kanji mit japanischen Lauten (gesprochene Sprache) zu versehen. Natürlich existierte in Japan auch vor der Berührung mit der chinesischen Kultur eine eigene gesprochene Sprache. So wurden beispielsweise die oben erwähnten Schriftzeichen zusätzlich zu den "pseudo-chinesischen" Lauten mit folgenden original-japanischen Lauten besetzt:

Schriftzeichen   japanischer Laut   Bedeutung
  [yama]   Berg
  [mori]   Wald
  [ama]   Himmel
  [kaze]   Wind
  [tsuchi]   Erde
  [hito]   Mensch
  [hana]   Blume

Bemerkenswert ist dabei die Tatsache, dass keine Ablösung der genannten umgewandelten chinesischen Laute (san, shin, ten etc.) durch japanische Laute stattfand: Seitdem existieren daher in der japanischen Sprache für jedes Kanji im Prinzip zwei Lesemöglichkeiten:

  1. ein aus dem Chinesischen stammender und an die phonetische Eigenheit der japanischen Sprache angeglichener Laut (sinojapanische Lesung bzw. on-Lesung 音読み)
    Auf diese Weise werden die meisten Kanji-Komposita gelesen.
  2. der seit der schriftlosen Zeit existierende rein japanische Laut (japanische Lesung bzw. kun-Lesung 訓読み)
    Diese Lesung haben z.B. die meisten Verbstämme.

Da das Kanji kein Produkt einer künstlichen Sprache ist, können wir leider hieraus keine Systematik wie "pro Kanji je eine on- und eine kun-Lesung" ableiten. So besitzt zwar jedes Kanji mindestens eine on-Lesung (in der Umschrift zumeist durch Großbuchstaben gekennzeichnet), aber nicht unbedingt eine kun-Lesung. Es existieren jedoch bei einigen Kanji auch mehrere kun-Lesungen, z.B.: 家 (Haus) on-Lesungen: 1.KA, 2.KE und kun-Lesungen: 1.ie, 2.ya; Die Übernahme der chinesischen Begriffsschrift brachte auch in grammatikalischer Hinsicht Probleme mit sich. Chinesisch ist (wie etwa Tibetisch u. Thailändisch) eine sog. isolierte Sprache. Bei diesen Sprachen stehen die grammatischen Worteinheiten (z.B. Nomen, Verb, Adjektiv) quasi bezuglos nebeneinander. Nur die Wortstellung im Satz und der Kontext dienen in der chinesischen Schriftsprache dieser Zeit als Indiz für Objekt oder Subjekt, Perfekt oder Passiv. ("Telegrammstil")

Japanisch dagegen ist (wie Finnisch, Türkisch oder Koreanisch) eine sog. agglutinierende Sprache. Bei diesen Sprachen kann der Informationsgehalt einzelner grammatischer Worteinheiten durch Auswechseln der Wortendungen nuancenreich verändert werden. Die chinesische Schrift eignete sich in diesem Sinne denkbar schlecht zur Wiedergabe aller Bereiche der japanischen Sprache. So mussten die Japaner in Ermangelung anderer Möglichkeiten aus dem Bestand der Kanji bestimmte Zeichen zu einem Ersatz für diese im Chinesischen nicht existierenden Informationsträger definieren, um alle Nuancen der Sprache zur vollen Entfaltung bringen zu können. Als Notlösung wurde die ursprüngliche Bedeutung mancher Zeichen aufgehoben und die Zeichen zu grammatikalischen Indikatoren umfunktioniert. Losgelöst von ihrer ursprünglichen Bedeutung dienten somit einige Kanji nur noch als Mittel zur optischen Wiedergabe eines bestimmten Lautes. (Dieser Mischstil, bei dem manche Kanji als Bedeutungsträger und andere als grammatische Hilfszeichen benutzt wurden, findet zwar im heutigen Japan in dieser Form keine Anwendung mehr, stellt jedoch einen entscheidenden Schritt zur Bildung des eigenen japanischen Schriftsystems dar.)

Als dritte Bemühung im Hinblick auf die Weiterentwicklung der Schrift, wurde parallel zu den genannten Schritten versucht, die Kanji konsequent von ihrer Bedeutung loszulösen und als eine Lautschrift wie etwa das Alphabet zu benutzen. Durch diese Abstrahierung (im Sinne einer Loslösung der Bedeutungskomponente) wurde die Grundlage geschaffen, eine der japanischen Sprache angemessene Orthographie zu entwickeln.

Im Laufe der Zeit hat sich eine begrenzte Anzahl bestimmter Kanji (ca. 50 Zeichen aus dem Gesamtbestand von ca. 50.000) herauskristallisiert, die immer wieder rein lautlich verwendet wurden. Der ständige Gebrauch dieser Kanji brachte eine allmähliche Vereinfachung der Zeichen mit sich (vgl. folgende Seite). Sie ließen sich nunmehr wesentlich schneller als die ursprünglichen Zeichen schreiben und deckten gleichzeitig alle (damaligen) Laute des Japanischen ab. Diese im frühen 9. Jahrhundert entstandene Schriftform wird Kana 仮名 genannt. Vergleichbar mit unserem Alphabet, geben die Kanazeichen nur Laute wieder und besitzen einzeln betrachtet keine Bedeutung. Das Kana besteht heute aus 46 Grundzeichen und weiteren 29 zusätzlichen Zeichen, die etwa unserem Umlaut entsprechen, d.h. die mit Hilfe von Zusatzsymbolen zu neuen Zeichen erweitert wurden. (So wie ein deutsches ü aus dem Grundzeichen u abgeleitet und mit dem Symbol ¨ versehen wurde, hat man z.B. ein Kanazeichen バ aus der Kombination von ハ und dem Symbol ゛ entwickelt.)

Ebenfalls vergleichbar mit unserer Groß- und Kleinschreibung lassen sich die Kanazeichen auf zwei verschiedene (im Übrigen historisch unabhängig voneinander, aber fast zeitgleich entstandene) Weisen schreiben:

Das Hiragana ひらがな, das heute ca. 50% eines japanischen Textes (z.B. die Tageszeitung) einnimmt, ist eine Schriftform, deren Entstehung auf das schnelle Schreiben der lautlich verwendeten Kanji mit dem Pinsel zurückzuführen ist und sich heute noch durch seine ausgesprochen geschwungene, rundliche Gestalt auszeichnet.

Das Katakana カタカナ ist eine Schriftform, die durch Entnahme eines Teilstücks eines lautlich verwendeten Kanji entwickelt wurde. Für diese Schrift kennzeichnend ist ihre eckig anmutende Form. Der heutige Anteil von Katakana in Schriftstücken ist relativ gering (unter 6%).

Möglicherweise erkennen Sie ohne jede Vorkenntnisse des Japanischen, allein durch Ihre visuellen Fähigkeiten den Unterschied zwischen manchen Hiragana- und Katakanazeichen. Insbesondere bei den Zeichen ka, ko, se, ya, re und ro dürfte das möglich sein:

Umschrift   Hiragana   Katakana
ka    
ko    
se    
ya    
re    
ro    

Im Folgenden werden alle Grundzeichen des Hiragana und Katakana seinen jeweiligen Urformen in der Reihenfolge des Silbenalphabets gegenübergestellt: Ursprung der Kanazeichen

Ursprung der Kanazeichen

Laut   Kanji     Hiragana   Kanji     Katakana
a            
i            
u            
e            
o            
           
ka            
ki            
ku            
ke            
ko            
           
sa            
shi            
su            
se            
so            
           
ta            
chi            
tsu            
te            
to            
           
na            
ni            
nu            
ne            
no            
           
ha            
hi            
fu            
he            
ho            
           
ma            
mi            
mu            
me            
mo            
           
ya            
yu            
yo            
           
ra            
ri            
ru            
re            
ro            
           
wa            
(w)o            
           
n            

Allgemeines²

In der letzten Phase der Entwicklung setzte die Synthese von Kanji und Kana ein, wobei Begriffswörter und der Wortstamm von flektierenden Wörtern (z.B. Verb und Adjektiv) in Kanji, die Wortendungen und Hilfswörter in Kana geschrieben wurden. Diese Form der Orthographie kam bereits im 12. Jh. auf und setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Die heutige japanische Schrift, die auf allen Gebieten der schriftlichen Kommunikation Einsatz findet, ist somit eine aus Kanji und Kana bestehende Mischschrift (漢字かな混じり文). D.h. die drei genannten Schriftsysteme werden ständig parallel verwendet. Dies soll an folgendem Beispielsatz verdeutlicht werden:

  mori   san   wa   doitsu   go   no   sensei   desu.
Kanji               先生  
Hiragana     さん             です。
Katakana         ドイツ        
  森さんはドイツ語の先生です。
Übersetzung   Frau Mori ist Deutschlehrerin.

Das lateinische Alphabet (sog. ローマ字) ist seit dem 16. Jh. in Japan bekannt und wird seit dem späten 19. Jh. an japanischen Grundschulen unterrichtet. Seine Funktion beschränkt sich jedoch auf die Wiedergabe westlicher Namen und Begriffe als direkte Zitate und dient höchstens als Hilfsschrift für schriftunkundige Ausländer.

zu beachten:
Die japanische Schrift besitzt festgelegte Schreibregeln, d.h. sowohl bei Kana als auch Kanji sind Strichfolge und Schreibrichtung vorgeschrieben. Diese sollten von Anfang an streng eingehalten werden, damit die von Ihnen geschriebenen Schriftzeichen eine gewisse Ästhetik bewahren, aber vor allem für den Anderen identifizierbar bleiben. Dabei gibt es zwei Grundregeln, die besagen, dass so gut wie jedes Zeichen von oben nach unten und von links nach rechts geschrieben wird.
Einen Text finden wir heute entweder in senkrechten, von rechts nach links angeordneten Zeilen, oder in waagerechter Weise von links nach rechts verfasst Die traditionelle senkrechte Schreibweise erscheint heute noch überwiegend in der Literatur, Aufsätzen, Briefen etc., während beispielsweise in den Printmedien beide Schreibweisen parallel verwendet werden. Auch Sie können somit japanische Sätze in beide Richtungen schreiben.
Zu beachten ist lediglich die Zeichensetzung (z.B. Punkt und Komma), da je nach Schreibrichtung die Satzzeichenanordnung variiert:

waagerechte Schreibweise z.B.: 森さんは、ドイツ語の先生です。

senkrechte Schreibweise z.B.:森さんは、
ドイツ語の
先生です。

Jeder Satz wird generell mit einem Punkt in Form eines Kreises „。“ (auf Japanisch „maru“) abgeschlossen, der auch in Fragesätzen zum Einsatz kommt. Fragezeichen oder Ausrufezeichen werden in der Regel nicht verwendet. Die Zeichensetzung in Bezug auf das japanische Komma „、“ („ten“) ist recht freizügig geregelt.
Des Weiteren wird das Japanische zum einen lückenlos und zum anderen proportional einheitlich geschrieben.
Lückenlos bedeutet, dass z.B. ein Satz wie ein „Bandwurm“ aneinander gekettet erscheint, ohne dass Trennungen zwischen den einzelnen Wörtern auftreten. Diese orthographische Gepflogenheit ist gewöhnungsbedürftig, zumal selbst ein Wort, das sich über zwei Zeilen erstreckt, übergangslos und ohne Bindestrich geschrieben wird. Mit anderen Worten kann es vorkommen, dass Sie nicht wissen, wo ein Wort beginnt und wo es endet.
Proportional einheitlich bedeutet, dass jedes Schriftzeichen, egal aus wie vielen Strichen und Punkten es auch besteht, die gleiche Abmessung zueinander haben muss. Man stelle sich dabei ein Planquadrat vor, das jedem Schriftzeichen zugeordnet ist. Dabei sollte beispielsweise ein verhältnismäßig einfaches Kanji wie das 人 (Mensch), das aus zwei Strichen besteht, genauso in sein Quadrat hineinpassen wie das aus mehreren (12) Strichen zusammengesetzte Zeichen 森(Wald). Häufig sehen die ersten Gehversuche entsprechend unproportioniert aus: versus 森 oder 人 versus etc.. Dies wird für Sie lange Zeit ein technisches Problem darstellen.

Die Silbenschrift Hiragana

Der Grundbestand von Hiragana 平仮名 beläuft sich, wie schon erwähnt, auf 46 Zeichen. Darüber hinaus existieren
25 weitere Zeichen, die durch einfache, sogenannte Zusatzsymbole, vergleichbar mit unserem Umlaut, gebildet werden und somit Varianten bestimmter Zeichen des Grundbestands darstellen. (Beispiel: か - が, て- で, ひ - び etc.). Im Vergleich zu den übrigen Schriftarten des Japanischen (Kanji und Katakana) zeichnet sich das Hiragana durch seine eher rundlich geschwungene Form aus. Trotz der gestaltlichen Vielfalt (siehe folgende Seiten) wird jedes Zeichen des Hiragana unabhängig von der Anzahl der Striche in einheitlicher Größe geschrieben. (あいうえお und nicht etwa あ    お) Anfänger neigen erfahrungsgemäß oft dazu, komplexere Zeichen groß und simplere kleiner zu schreiben.
(Nur in der Funktion zur Kennzeichnung bestimmter Sonderlaute, wie etwa Langkonsonanten und palatalisierte Konsonanten, werden einige Hiragana klein geschrieben. Siehe "Sonderlaute des Hiragana")

Anwendungsbereich
Theoretisch lässt sich die japanische Sprache durchgehend nur mit Hilfe des Hiragana wiedergeben. Diese Art der Rechtschreibung kommt jedoch nur in begrenzten Fällen vor: in Kinderbüchern, Lehrbüchern für Ausländer und Texten von Silbenschrift-Anhängern. In herkömmlichen Texten wird, wie bereits erwähnt, eine Mischschrift aus Kanji und Kana verwendet. Ein ausschließlich in Hiragana verfasstes Schriftstück ist äußerst schwer zu entziffern, da einerseits durch das Fehlen der Worttrennung in der japanischen Orthographie ein solcher Text eine einzige kaum entwirrbare Lautkette darstellen würde. Andererseits wird durch Homonyme (die, wie schon erläutert, gleich geschriebene Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung sind; vergleiche im Deutschen: Schloss - Schloss; Bank - Bank etc.), die die japanische Sprache wegen ihres sehr einfachen Lautsystems in extrem großer Anzahl aufweist, praktisch jeder japanische Text mehrdeutig.

Das Hiragana wird in erster Linie für die Wiedergabe von Konjunktionen, Hilfswörtern (Partikel), Wort- und Flexionsendungen, Prä- und Suffixen, Adverbien sowie als Ersatz für schwierige Kanji eingesetzt. Es kann auch als Lesehilfe, als sogenanntes Furigana, für Kanji Einsatz finden, indem es extrem klein geschrieben (bei horizontaler Schreibweise) oberhalb eines Kanji erscheint. Hier einige Beispiele:

Konjunktion:   でもそれからはいいいえ
Partikel:   今年10月から大学日本語っています
Wort- und Flexionsendung:   っています、読みます、難しくないです
Prä- und Suffix:   茶、さん
Adverb:   いつもまだちょっと
Kanji-Ersatz:   集中講座(しゅうちゅうこうざ)、言語学部(げんごがくぶ)
Lesehilfe (Furigana):   集中講座(しゅうちゅうこうざ) 言語学部(げんごがくぶ)
beachte:
Neben der individuellen Abweichung der Schreibweise des Hiragana, etwa bedingt durch eine ausgefallene Handschrift, oder durch die Wahl des Schreibgerätes, existieren verschiedene Drucktypen des Hiragana, die am Anfang des Studiums gewisse Schwierigkeiten bereiten können:

あいうえお DFKai-SB (Schulbuchtyp)
あいうえお KaiTi
あいうえお MS Mincho (Standarddrucktyp)
あいうえお MS Gothic
あいうえお SimHei
あいうえお FangSong



Die 46 Grundlaute des japanischen Silbenalphabets notiert in Hiragana:

a   i   u   e   o  

 

 

 

 

ka   ki   ku   ke   ko  

 

 

 

 

sa   shi   su   se   so  

 

 

 

 

ta   chi   tsu   te   to  

 

 

 

 

na   ni   nu   ne   no  

 

 

 

 

ha   hi   fu   he   ho  

 

 

 

 

ma   mi   mu   me   mo  

 

 

 

 

ya     yu     yo  

 

 

 

 

ra   ri   ru   re   ro  

 

 

 

 

wa         (w)o  

 

 

 

 

n          

 

 

 

 

abweichende Schreibweise

Wie wir sehen können, deckt sich die Hiragana - Orthographie weitgehend mit der Aussprache. In der japanischen Gegenwartssprache gibt es nur zwei (historisch bedingte) Abweichungen der Rechtschreibung zur Aussprache:

  1. Die Silbe he へ wird "e" ausgesprochen, wenn sie als Kasuspartikel verwendet wird. (siehe Lehrbuch Lektion 1)
  2. Die Silbe ha は wird wa ausgesprochen, wenn sie als Thema- oder Adverbialpartikel fungiert. (siehe Lehrbuch Lektion 2)

zusätzliche Laute des Hiragana
Die Einführung in die Aussprache zeigte neben den Grundlauten eine Anzahl von Sonderlauten, die durch Kombination bestimmter Silben des Grundbestands (Langvokal, Doppelkonsonant und palatalisierter Konsonant) oder durch Variation (stimmlos → stimmhaft) entstanden sind. Im Folgenden soll die Orthographie dieser Laute in Hiragana ein geübt werden:

stimmhafte und plosive Laute
Die weichen Varianten zu den Lauten der Silbenreihen k-, s-, t- und h- werden mit Hilfe eines Zusatzzeichens, das unserem „Gänsefüßchen“ bzw. Anführungsstrichen ähnelt, dem sogenannten tenten, dakuten oder nigori (゛) gebildet:

ga   gi   gu   ge   go  

 

 

 

 

za   ji   zu   ze   zo  

 

 

 

 

da   ji*   zu*   de   do  

 

 

 

 

ba   bi   bu   be   bo  

 

 

 

 

* Diese Schriftzeichen werden heute nur noch selten benutzt.


Wie wir sehen können, wurde die Silbenreihe ba, bi, bu, be, bo (ば、び、ぶ、べ、ぼ) durch Wandlung der h-Reihe (ha, hi, fu, he, ho- は、ひ、ふ、へ、ほ) gebildet. Die p-Reihe (pa, pi, pu, pe, po) wird mit Hilfe eines anderen Zusatzzeichens, eines „Kringels“ dem sogenannten maru oder handakuten (゜) gebildet:

pa   pi   pu   pe   po    

 

 

 

Langvokale
Die Dehnung der Vokale wird in Hiragana folgendermaßen notiert:

  1. Silben a-Auslaut + Silbe a (z.B.: sa さ + a あ = saa さあ)
  2. Silben i-Auslaut + Silbe i (z.B.: ki き + i い = kii きい)
  3. Silben u-Auslaut + Silbe u (z.B.: fu ふ + u う = fuu ふう)
  4. Silben e-Auslaut + Silbe e (z.B.: ne ね + e え = nee ねえ)
  5. Silben o-Auslaut + Silbe o (z.B.: to と + o お = too とお)
  6. Silben e-Auslaut + Silbe i (bei einem Diphthong) (z.B.: ke け + i い = kei けい)
  7. Silben o-Auslaut + Silbe u (bei einem Diphthong) (z.B.: to と + u う = tō とう)
Beachten Sie, dass die gedehnten Laute von e- und o-Auslauten in den allermeisten Fällen Diphthonge sind. In der
Regel werden also die beiden Schreibweisen 6 und 7 statt 4 und 5 benutzt.



Langkonsonanten
Langkonsonanten werden in Hiragana notiert, indem man die Silbe tsu つ klein geschrieben vor die Silbe (genauer:
vor den konsonantischen Anlaut der Silbe) setzt. Diese wird, wie einführend schon erläutert wurde, etwa doppelt so
lang wie gewöhnlich ausgesprochen.
Beispiele:

きっさてん、もっと、はっきり、がっこう

Palatalisierte Konsonanten
Palatalisierte Konsonanten werden durch ein klein geschriebenes ya や yu ゆ oder yo よ kenntlich gemacht.
Beispiele:
しゃかい (shakai)、ちゅもん (chumon)、びょうき (byōki)

Übungen dazu Finden Sie unter Downloads Begleitmaterial darin ist auch noch mal alles was hier auch geschrieben ist auf geführt und Hörmaterial finden sie hier Hiragana Sounds.

Die Silbenschrift Katakana

Die Anzahl der Grundzeichen des Katakana 片仮名 entspricht weitgehend der des Hiragana (d.h. je nach Zählweise 71 oder 46). Die Katakana heben sich durch ihre eckig anmutende Gestalt von der Form der Hiragana ab.

Anwendungsbereich
Im Gegensatz zu Hiragana und Kanji, deren Einsatzbereich fest umrissen ist, herrscht bei der Katakana eine große Vielfalt von Anwendungsmöglichkeiten. Grundsätzlich jedoch ist der Anteil von Katakana in der heutigen Rechtschreibung gering. (von über 1000 Vokabeln dieses Lehrbuchs sind ganze 10% in Katakana geschrieben.) Verbindlich ist der Gebrauch von Katakana in der modernen japanischen Orthographie in den folgenden drei Fällen:

  1. Fremdwörter (solange sie nicht als Zitat in der Originalschreibweise, z.B. als lateinische oder griechische Buchstaben stehen). Immerhin verzeichnet ein handliches japanisches Fremdwörterbuch über 35.000 Fremdwörter, vorwiegend aus der englischen Sprache!
  2. Lehnwörter (gemeint sind insbesondere aus dem europäisch-amerikanischen Bereich stammende Wörter)
  3. Orts-, Personen- und Eigennamen des Auslands (Ausnahme: Chinesische und koreanische Namen, diese erscheinen oft in Kanji)

Im Weiteren werden Wortkategorien angegeben, die häufig in Katakana notiert sind, dies ist aber nicht bindend. Allgemein betrachtet, garantiert der Gebrauch von Katakana (wie die Großbuchstaben bei uns, Fettdruck o.ä.) ein gewisses Hervorstechen des betreffenden Wortes aus dem Textzusammenhang. Darüber hinaus kann Katakana zur eindeutigen Identifikation von schwer lesbaren bzw. missverständlichen in Kanji geschriebenen Ausdrücken dienen:

  1. Laut- und Zustandsmalerei
  2. Interjektion
  3. umgangssprachliche Wörter
  4. Tier- und Pflanzennamen
  5. sprichwörtliche Ausdrücke
  6. Ersatz für schwierige Kanji
  7. fachspezifische Begriffe
  8. Künstlernamen und Werbeartikel
  9. allgemeine Hervorhebung im Text
  10. Telex und Telegramme
  11. Lesehilfe für Eigennamen in amtlichen Schreiben
  12. "broken japanese" eines Ausländers (es wird oft angenommen, dass ein Ausländer die korrekte Aussprache des Japanischen nicht beherrscht. Eher humorvoll als spöttisch werden solche Aussagen in Katakana zitiert.)

Die 46 Grundlaute des japanischen Silbenalphabets notiert in Katakana:

a   i   u   e   o  

 

 

 

 

ka   ki   ku   ke   ko  

 

 

 

 

sa   shi   su   se   so  

 

 

 

 

ta   chi   tsu   te   to  

 

 

 

 

na   ni   nu   ne   no  

 

 

 

 

ha   hi   fu   he   ho  

 

 

 

 

ma   mi   mu   me   mo  

 

 

 

 

ya     yu     yo  

 

 

 

 

ra   ri   ru   re   ro  

 

 

 

 

wa         (w)o  

 

 

 

 

n          

 

 

 

 

zusätzliche Laute des Katakana
Wie beim Hiragana existieren für die Katakana auch Zusatzsymbole und entsprechende Bedeutungen im Hinblick auf die Orthographie:
stimmhafte und plosive Laute
Diese werden genau wie beim Hiragana gekennzeichnet:

ga   gi   gu   ge   go  

 

 

 

 

za   ji   zu   ze   zo  

 

 

 

 

da   ji*   zu*   de   do  

 

 

 

 

ba   bi   bu   be   bo  

 

 

 

 

pa   pi   pu   pe   po  

 

 

 

 

* Diese Schriftzeichen werden heute nur noch selten benutzt.
Für stimmhafte v-Laute wird auch manchmal das Zeichen ヴ statt der b-Laute バビブベボ benutzt.

Beispiele:   ヴィールス   Virus
  ムーヴ   move
  ヴォーグ   vogue

Langvokale
Langvokale werden, solange es sich um Fremd- und Lehnwörter sowie Laut- und Zustandsmalerei handelt, mit Hilfe eines Dehnungsstriches markiert:
Beispiele:

コーヒー   (coffee)   カード   (card)
メートル   (Meter)   レポート   (report)
ゼーター   (sweater)   ベースボール   (baseball)
レコード   (record)   モーターボート   (motor-boat)

Bei japanischen Wörtern, die aus genannten Gründen (z.B. zur Hervorhebung etc.) in Katakana erscheinen, gilt die Regel des Hiragana:

Beispiele:   セイコウ   statt セーコー
  コウベ   statt コーベ
  トウカイドウ   statt トーカイドー

Langkonsonanten
Langkonsonanten werden wie beim Hiragana mit einem kleinen "tsu" ツ notiert:
Beispiele:

ハンドバッグ   (handbag)   マットレス   (matress)
ミッドナイト   (midnight)   セックス   (sex)
アップル   (apple)   ホットドッグ   (hotdog)
ポップコーン   (popcorn)   ドレッシング   (dressing)

palatalisierte Konsonanten
Palatalisierte Konsonanten werden ebenfalls wie beim Hiragana geschrieben, wobei hier bei der Wiedergabe von Wörtern aus dem Westen weitere Palatale entstehen:
bisherige Palatale notiert in Katakana:

キャ、キュ、キョ、ギャ、ギュ、ギョ
シャ、シュ、ショ、ジャ、ジュ、ジョ
チャ、チュ、チョ、ヂャ、ヂュ、ヂョ
ニャ、ニュ、ニョ
ヒャ、ヒュ、ヒョ、ビャ、ビュ、ビョ、ピャ、ピュ、ピョ
リャ、リュ、リョ


zusätzliche palatalisierte Konsonanten:
- ein klein geschriebenes ァ zusammen mit den Silben ク、グ、ツ、フ、ヴ

クァ   クァンティティー   =   quantity
グァ   アグァ   =   agua(span./port.)
ツァ   ツァイト   =   Zeit
ファ   ファンタジー   =   fantasy
ヴァ   オルヴァー   =   Oliver

- ein klein geschriebenes ィ zusammen mit den Silben ウ、ヴ、ク、ス、ツ、テ、デ、フ

ウィ   ウィルアマ   =   William
ヴィ   ヴィールス   =   Virus
クィ   クィーン   =   Queen
スィ   スィッチ   =   switch
ツィ   ツィスト   =   twist
ティ   ティー   =   tea
ディ   ディナー   =   dinner
フィ   フィルム   =   film

- ein klein geschriebenes ォ zusammen mit den Silben ウ、ヴ、ク、ツ、フ

ウォ   ウォーター   =   water
ヴォ   ヴォーカル   =   vocal
クォ   クォーツ   =   quarz
ツォ   カンツォーネ   =   canzone(ital.)
フォ   フォンデュー   =   fondue


Transkription von Fremd- und Lehnwörtern in Katakana

Einleitend ist für die Wiedergabe von Fremd- und Lehnwörtern im Japanischen wichtig, dass sich die Umschrift weitgehend nach der Originalaussprache und nicht nach der Schreibung richtet. Diese Aussprache wird im Japanischen mit den begrenzten Möglichkeiten der japanischen Silben ausgedrückt: So wird z.B. der Laut [L] generell im Japanischen mit Hilfe der Silbenreihe ラリルレロ (ra, ri, ru, re, ro) wiedergegeben, da keine "la, li, lu, le, lo" Laute existieren.
Beispiele:

lighter(Feuerzeug)   ライター   (raitaa)
lion(Löwe)   ライオン   (raion)
list(Liste)   リスト   (risuto)
look(Aussehen)   ルック   (rukku)
lake(See)   レーク   (reeku)

Auch wenn an dieser Stelle weitere Besonderheiten bei der Lautwiedergabe zu verzeichnen sind, würde die ausführliche Darstellung all dieser im Rahmen einer Einführung zu weit führen. So beschränken wir uns auf grundlegende Eigenheiten.

Wie aus der allgemeinen Einleitung in die japanische Sprache schon hervorging, folgt auf jeden Konsonant (mit Ausnahme von n) ein Vokal. Dies wird auch bei den Lehnwörtern beibehalten. So wird aus einem englischen 2-silbigen Wort wie "ice-cream" im Japanischen "aisukuriimu", アイスクリーム (a-i-su-ku-ri-i-mu). D.h. jedem Konsonant wird ein Vokal hinzugefügt. Dabei lassen sich folgende Gesetzmäßigkeiten festhalten:

  • auf t und d folgt meistens o:
    present → purezento プレゼント; card → kaado カード
  • auf ch und k folgt häufig i:
    match → machi マチ; lunch → ranchi ランチ
  • in den meisten Fällen und vor allem im Auslaut wird meist u hinzugefügt:
    tape → teepu テープ; milk → miruku ミルク

Da es sich bei der Transkription von Fremd- und Lehnwörtern in Katakana immer nur um annähernde Wiedergaben der Originalsprache mit begrenzten Mitteln (= Lauten), was auch anhand der vorangegangenen Beispiele deutlich wurde, sowie einem japanischen Verständnis der Ausgangssprache handelt, können unter Umständen recht kuriose Interpretationen und gravierende Abweichungen vom Original entstehen. So müssen wir z.B. die Tatsache hinnehmen, dass ein Wort wie "rokku" ロック "lock" (schließen) oder aber auch "rock" (Felsen oder Rockmusik) bedeuten kann, da das japanische Lautsystem keine andere Möglichkeit der Wiedergabe bietet. So werden in der japanischen Sprache Wörter, die in der Originalsprache durch ihre Schreibung differenziert werden, völlig gleich geschrieben.

Als weiteres Beispiel ist "roo" ロー zu nennen, mit dem die englischen Wörter "raw, low, law, row " (also: roh, tief, Gesetz, Reihe) wiedergegeben werden. Dagegen dürfte beispielsweise die japanische Version des englischen Wortes "hand-bag", nämlich ハンドバッグ (handobaggu) für einen, der das ursprüngliche Wort kennt, ziemlich befremdend wirken.
Wir müssen letztlich diese Tatsache hinnehmen und solche Lehn- und Fremdwörter einfach als völlig neue (japanische) Wörter auffassen und nicht den Fehler vieler sprachkundiger Nichtjapaner wiederholen, das "hand-bag" nach dem englischen Original im Japanischen auszusprechen. Dies würde nämlich ein Japaner kaum verstehen.

Gegenüberstellung der Schriften

Hiragana   Umschrift   Katakana
   
          a   i   u   e   o          
          ka   ki   ku   ke   ko          
          ga   gi   gu   ge   go          
          sa   shi   su   se   So          
          za   ji   zu   ze   zo          
          ta   chi   tsu   te   to          
          da   ji*   zu*   de   do          
          na   ni   nu   ne   no          
          ha   hi   fu   he   ho          
          ba   bi   bu   be   bo          
          pa   pi   pu   pe   po          
          ma   mi   mu   me   mo          
          ya     yu     yo          
          ra   ri   ru   re   ro          
          wa wi     we   (w)o          
          n                  

Zusatzzeichen:

きゃ きゅ きょ   Kleinschreibung bei Vordergaumen Lauten
キャ キュ キョ  
  Dehnungszeichen beim Katakana
  "V"-Laute bei Fremd- und Lehnworten

beachte:
weitere Zusatzzeichen siehe "Exkurs: Wie werden deutsche Namen in Katakana geschrieben?"


Einführung in Kanji

Einführung
in
Kanji

Gestaltung

Wie in der Einführungsveranstaltung schon erwähnt, besteht jedes Kanji (漢字) aus einer bestimmten Anzahl von
Einzelstrichen (von 1 bis 64!), die an sich (mit Ausnahme des waagerechten Strichs ー, der mit der Bedeutung "eins" verwendet wird) keine Bedeutung haben. Wie auch bei Kana ist die Reihenfolge, in der die Einzelstriche geschrieben werden, nicht beliebig, sondern bei jedem Kanji festgelegt und muss theoretisch bei allen Schriftzeichen, d.h. ca. bei zwei- bis dreitausend Zeichen neu erlernt werden. (In der Praxis sieht es eher so aus, dass Sie, nachdem Sie die ersten 100 Kanji schreiben gelernt haben, fast alles automatisch läuft.)

Streng genommen sind es keine "Striche" im Sinne einer zeichnerisch geraden Linie, woraus ein Kanji besteht. Kanjis wie z.B. 三, 田, 十, 日, 目, 口, 品, 古, die eher an ein mit dem Lineal entworfenes geometrisches Gebilde erinnern, sind eher rar. Viel häufiger bestehen Kanji neben solchen Strichen noch aus Punkten und vor allem geschwungenen, z.T. angewinkelten oder mit "Häkchen" versehenen, Linien: 人, 母, 女, 風, 心, 水, 火,糸 etc.. Selbst die hier maschinell erstellten Schriftzeichen der sozusagen "geometrischen" Art, wirken in der Vergrößerung (48 points) keineswegs mehr wie eine technische Zeichnung:

三田十日目口品古

Wesentlich "künstlerischer" fallen natürlich die zuletzt genannten Kanji aus, die beinahe schon wie mit einem
Schreibpinsel, dem ursprünglichen Utensil beim Schreiben des Kanji, geschrieben aussehen :

人母女風心水火糸

Auf den ersten Blick können wir keine Gemeinsamkeiten zwischen den Zeichen der oberen und unteren Reihe, die jeweils aus 8 Kanji bestehen, erkennen. Die einzige, aber für das Schreiben außerordentlich wichtige Gemeinsamkeit liegt in der Tatsache, dass diese und fast alle übrigen Kanji grundsätzlich von (links) oben nach (rechts) unten und in recht gerader Haltung geschrieben werden.

So wird beispielsweise ein selbst für den Anfänger leicht zu erlernendes Kanji wie 口, das "Mund" bedeutet, in der zunächst noch gewöhnungsbedürftigen Reihenfolge ↓ , also linker Strich von oben nach unten, oberer Strich von links nach rechts, rechter Strich von oben nach unten und unterer Strich wieder von links nach rechts geschrieben. Das Zeichen "Mund" wird also nicht etwa wie ein Quadrat nach dem Schema ↑oder ↓↓, gezeichnet. (Im Übrigen wird in der Praxis der obere und rechte Strich von 口 in einem Zug, also ↓ geschrieben. Näheres siehe das Kanji 口 in der Kanjiliste von Lektion 7 in Ihrem Übungsheft.)

Wie Sie vielleicht jetzt schon festgestellt haben, unterscheiden sich Kanji in der Komplexität ihrer Gestalt. Dieses Phänomen kann z.B. anhand von japanischen, d.h. in Kanji geschriebenen Zahlen systematischer demonstriert werden:
Angefangen mit einem Strich für "eins" 一, zwei Einzelteilen für "zwei" 二, "sieben" 七, "acht" 八 oder "zehn" 十 , drei Einzelteilen für "drei" 三, vier Einzelteilen für "sechs" 六 (die Zahl "vier" besteht übrigens aus 5 Einzelteilen!) bis hin zu sehr komplexen Kanji wie z.B. "100 Millionen" 億, das aus 15 Einzelelementen besteht, kann das Kanji recht einfach, aber auch sehr komplex ausfallen.

Dabei sollten Sie sich jetzt schon einprägen, beim Schreiben eines jeden Kanji möglichst die Proportion zueinander einzuhalten. Mit anderen Worten muss das Größenverhältnis zwischen einem simplen Zeichen wie 口 ("Mund") und einem relativ komplexen Zeichen wie 億 ("100 Millionen") einigermaßen einheitlich sein. Des Weiteren sollte auch das Schriftbild eine gerade Haltung wahren. Hier ein Beispiel in der üblichen Mischschrift aus Kanji und Kana:
richtig: ドイツ人も漢字をきれいに書ける。 (Übersetzung: "Auch Deutsche können Kanji schön schreiben!")
falsch: も漢字をきれいにける。

Kategorisierung des Kanji

Ursprünglich ist das Kanji aus der Wiedergabe realer Gegenstände entstanden, wurde aber im Laufe der Jahrhunderte weitestgehend abstrahiert, da sonst nicht die komplexe Sprache hätte verschriftlicht werden können. Aufgrund dieser Weiterentwicklung existieren verschiedene Typen von Kanji, die sich u.a. in vier verschiedene historische Kategorien klassifizieren lassen. Auch wenn diese Kategorisierung, die von einer aus dem ersten vor christlichen (sic. ! ) Jahrhundert stammende ursprüngliche 6-er Teilung basiert, für das praktische Erlernen des heutigen Kanji keine besonders große Hilfe darstellt, kann sie einen kleinen Einblick in die bedingte Systematik dieser Schrift geben. Hier die vereinfachte Version in 4 Kategorien:

1. Piktogramme 象形 (shōkei) "Bilderschrift"
Diese Kanji entsprechen praktisch der Ursprungsform, d.h. sie entwickelten sich aus Abbildungen von Gegenständen
bzw. Erscheinungen des Alltags. Die bildlichen Vorlagen dürften heute noch zu erkennen sein.
Einige Beispiele:

Mund     kuchi (stilisierter Mund)
Baum     ki (aus Stamm und Wurzeln)
Auge     me (um 90° verdrehtest stilisiertes Auge)
Berg     yama (aus 3 stilisierten Bergspitzen)
Fluss     kawa (stilisierte Strömung)
Reisfeld     ta (Vogelperspektive von vier Parzellen)
Feuer     hi (Holzscheit mit aufsteigendem Rauch bzw. Flamme)

2. Indikatoren 師事 (shiji) "Symbolzeichen"
Die Gruppe dieser Kanji gibt abstrakte Begriffe wie bei unserem Verkehrszeichen mittels Zeichensymbole wieder.
Einige Beispiele:

eins     ichi
zwei     ni
drei     san
oben     ue
unten     shita
mitte     naka
hälfte     han

3. Ideogramme 会意 (kaii) "Zusammensetzung von Zeichen"
Diese Kanji sind dadurch gekennzeichnet, dass durch Kombination von zwei Zeichen neue Bedeutungen gebildet
werden.
Einige Beispiele:

Sonne + Mond = hell, Helligkeit   日+月   =明 aka(rui)
Baum + Baum = Wäldchen   木+木   =林 hayashi
Baum + Baum + Baum = Wald   木+木+木   =森 mori
Feuer + Feuer = Flamme   火+火   =炎 honō
Mensch + sagen = glauben   人+言   =信 shin(jiru)

4. Phonogramme 形声 (keisei) "Modulsystem"
Zu dieser Kategorie gehören die meisten (ca. 80%!) der existierenden Kanji. Ihr Charakteristikum ist, dass sie sich aus einem Bedeutungsteil (Sachgruppen-Info) und einem Ausspracheteil (Laut-Info) zusammensetzen. Während ein Ideogramm (vgl. Nr. 3) eine Kombination aus zwei gleichwertigen Zeichen seine Bedeutung ableitete, wird beim Phonogramm eine Art strikte Arbeitsteilung unternommen.

Radikal

Durch den Bedeutungsteil oder das sog. Radikal wird dem jeweiligen Kanji ein etwaiger Begriffsinhalt (Bedeutung) gegeben, während der zweite Teil wie gesagt die Aussprache (den Laut) bestimmt. Das Radikal lässt sich am besten noch mit dem Familiennamen vergleichen.

Es besitzt nämlich die Eigenschaft, als Oberbegriff einer Gruppe von mehreren ähnlichen, konkreten (oder abstrakten) Dingen, zu dienen. So wie sich z.B. die Familie Müller aus den Individuen Klaus, Anne, Martin, Iris etc. zusammensetzt, besteht der Grundstoff Metall (金) in Sinne eines Oberbegriffs u.a. aus den Mitgliedern Kupfer (銅), Eisen (鉄), Silber (銀), Blei (鉛) etc.. Wenn wir das erste Kanji (=Mitglied) 銅 heranziehen, so stellen wir fest, dass der linke Teil dieses Schriftzeichens 金 ausmacht, auch wenn es etwas deformiert erscheinen mag. 金 (Metall) steht hier in der Funktion eines Radikals ("Familienname"). Es dient eben dazu, das "individuelle" Kanji 銅 der Sachgruppe 金 zuzuordnen. In ähnlicher Weise werden die anderen "Mitglieder" wie 鉄, 銀 und 鉛 dem Radikal 金 zugeordnet. Sobald wir das Radikal 金 kennen, sind wir theoretisch imstande, ein beliebiges, d.h. uns nicht bekanntes Kanji mit diesem Radikal dieser Sachgruppe zuzuordnen. Tatsächlich haben folgende Kanji immer etwas mit Metall zu tun:
錫 (Zinn), 鉱 (Erz), 銭 (Münze), 針 (Nadel), 釘 (Nagel), 鋼 (Stahl), 鍵(Schlüssel), 鎧 (Rüstung), etc.
Es existieren heute ca. 200 (historisch betrachtet 214) Radikale, die als Oberbegriff einer Sachgruppe dienen und die Suche bzw. das Erlernen der Kanji erleichtern. Hierzu zählen nicht nur konkrete Dinge wie "Erde" 土, "Feuer" 火, "Wasser" 水, "Holz" 木 und dergleichen, sondern auch solche, die entweder selbst ein Abstraktum wie "Kraft" 力, "Herz" 心, "Standpunkt" 立 bedeuten, oder zwar selbst konkret, jedoch zur Wiedergabe von abstrakten Vorgängen und Seins formen dienen. Das Radikal "Mensch" macht z.B. den Bestandteil von solchen Kanji aus, die eher zwischenmenschliche Aktionen wie "dienen", "überreichen", "assistieren", "bitten" etc. wiedergeben und demnach keine fassbaren Dinge symbolisieren. Nachdem wir den Bedeutungsteil des Kanji 銅 (Kupfer) und dessen Hintergrund kennen gelernt haben, wenden wir uns nun seinem Ausspracheteil

Lesung
Die rechte Hälfte des Kanji 銅, nämlich 同, ist als reines Laut-Info zu betrachten und wird "DOO" ausgesprochen. Auch wenn das 同 an sich auch als ein selbständiges Kanji existiert, wird es hier lediglich dazu benutzt, um diesem 銅 einen Laut (sog. Lesung) zu vermitteln. Mit anderen Worten wird das 同 als Lautsprecher missbraucht. So existieren neben 銅 noch weitere Kanji, die alle wegen diesem 同 die Lesung "DOO" haben: 洞, 桐, 恫

Allgemein betrachtet, wurde also bei der Bildung eines jeden Phonogramms a. ein Radikal ausgesucht und b. ein weiteres Kanji hinzugefügt, das von seiner Bedeutung abgekoppelt und als reiner Lautträger eingesetzt wurde.
Geht man von dieser Dualität eines Kanji aus, die sozusagen die Standardform (80%!) darstellt, so wird statistisch gesehen, ein Großteil der Phonogramme (über 50%!) so wie wir bereits bei 銅 gesehen haben, nach dem Prinzip linke Hälfte Radikal und rechte Hälfte Lesung aufgebaut. Die Idealform eines Kanji sieht also so aus:

 Phonogramm  =  Radikal  +  Lesung 

Abweichung (Radikal)
Im Hinblick auf das Radikal lassen sich leider Abweichungen vom oben aufgestellten Idealschema feststellen.
Neben der idealen Gestaltung eines Kanji, wobei das Radikal die rechte Hälfte einnimmt, sind 10 Variationen in
der Praxis bekannt. Im Folgenden wird diese Tatsache schematisch dargestellt. Die als Radikalschema bezeichneten Quadrate stehen für alle Kanji, deren Radikale im schwarz markierten Bereich zu finden sind. Die Kenntnis dieser 11 möglichen Grundstrukturen erleichtert es Ihnen, später ein Ihnen unbekanntes Kanji in einem Kanji-Lexikon zu finden und sollte daher schon jetzt gezeigt werden:

Radikalschema   Radikalbeispiel   Kanjibeispiel   Jap. Bezeichnung
      hen
      tsukuri
      kanmuri od. kashira
      ashi
      tare
      nyō
      kamae
      kamae
      kamae
      kamae
      kamae

Abweichung (Lesung)
Da das Kanji wohlgemerkt einer lebenden Sprache entsprungen ist und nicht ein künstliches Gebilde darstellt, lassen sich zwar viele Kanji durch das hier dargestellte System logisch analysieren. Diese Darstellung über die Theorie des Phonogramms setzt jedoch ideale Bedingungen voraus, die in der Praxis leider nicht immer gegeben sind. So kommen regelmäßig Abweichungen in der Lesung, aber auch in der Platzierung des Radikals und somit in der Gesamtgestaltung des Kanji vor.

Die Abweichung in der Lesung kann wie z.B. beim Kanji 植, das aus dem Radikal 木 und dem Lautteil 直 "choku" besteht, aber warum auch immer "shoku" gelesen wird, geringer Natur sein. Sie kann aber auch so gravierend ausfallen, dass die obige Theorie überhaupt nicht mehr angewendet werden kann.

Das Kanji 鉢 besteht aus dem Radikal 金 und dem Lautteil 本 "hon" kann aber nur "hachi" oder höchstens "hatsu" gelesen werden. Niemand weiß wohl, wie sich aus dem "hon" ein "hachi" entwickeln kann.

Ein weiteres Problem in puncto Lesung muss hier erwähnt werden. Wie bereits im Abschnitt Allgemeines angedeutet, werden historisch bedingt verschiedene Laute (Lesungen) einem Kanji zugeordnet, und zwar zumeist eine kun-Lesung und oft mehrere on-Lesungen pro Kanji. So besitzt beispielsweise das Kanji 中, das zur Gruppe der Symbolzeichen gehört und "Mitte" bedeutet, die kun-Lesung "naka" und on-Lesung "chū". Das Kanji 国 mit der Bedeutung "Land" wird entweder "kuni" (kun-Lesung) oder "koku" oder "goku" (on-Lesungen) ausgesprochen.

einige weitere Beispiele:

Kanji   on-Lesung(en)   kun-Lesung(en)   Bedeutung
    akagane   Kupfer
    kuchi   Mund
  moku   me   Auge
  san/zan   yama   Berg
  rin   hayashi   Wäldchen, "Hain"
    ue/kami   oben
  ge/ka   shita/shimo   unten


Komposita

Sobald Begriffe gebildet werden, die aus zwei oder mehr Kanji zusammengesetzt sind (sogenannte Kanjikomposita), sind rein theoretisch betrachtet mehrere Lesungen möglich. So wird der Begriff für China bzw. "Reich der Mitte" in Kanji 中国, eben aus den oben bereits erwähnten beiden Kanji kombiniert, geschrieben. Theoretisch sind bei diesem Kompositum folgende Lesungen denkbar:
1 . nakakuni, 2. nakakoku, 3. nakagoku, 4. chūkoku sowie 5. chūgoku
In der Realität wird im Japanischen 中国 einzig und allein "chūgoku" (= 5. Lesart) ausgesprochen. Aus diesem einzigen Beispiel kann man bereits folgende, für die Zukunft sehr nützlichen Faustregeln, ableiten, dass man bei der Lesung von Komposita

a. eine Vermischung von on und kun-Lesung vermeidet und
b. vorzugsweise die on-Version benutzt.

Es gibt im Übrigen keine Erklärung, warum man 中国 nicht "chūkoku" (d.h. eine weitere Lesart, die die Regeln a und b erfüllt) ausspricht. Bei Kanji, die mehrere on-Lesungen haben, und das sind die meisten, muss man die jeweilige Lesung der Komposita leider einzeln lernen. (So wird etwa der Begriff Paradies 天国 ("Himmelland"), das aus dem Kanji 天 "ten", das "Himmel" bedeutet und dem erwähnten 国 "Land" besteht, nicht etwa "tenkoku", sondern warum auch immer "tengoku" ausgesprochen.

Im Gegensatz zu Komposita, werden einzelne Kanji, d.h. Begriffe, die aus einem einzigen Kanji bestehen und z.B. in einem Satz einzeln gebraucht werden, in aller Regel nach der kun-Lesung gelesen. Mit anderen Worten wird das Kanji 国 in einem Satz wie "Dieses Land ist reich an Bodenschätzen." (この国は資源が豊富である。) nicht etwa "koku" oder "goku", sondern "kuni" ausgesprochen.

Schlussbemerkung zum Kanji
Die vorliegende Einführung machte deutlich, dass das heutige Kanji keineswegs eine Bilderschrift darstellt. Allerdings ist es von großem Nutzen, bei der Erlernung der Schriftzeichen den Symbolcharakter dieser faszinierenden Schrift zu nutzen und entweder auf die tatsächliche Entstehungsgeschichte der jeweiligen Kanji (Kanji-Etymologie) zurückzugreifen (das wäre der akademische Weg), oder aber persönliche Eselsbrücken herzustellen, die möglichst ausgefallen und somit einprägsam sein sollte (das wäre der amüsantere Weg!). Für das Schriftzeichen 食. das die Bedeutung
"essen" besitzt, hatte z.B. einer Ihrer Leidensgenossen die folgende persönliche Interpretation entwickelt:
"Seitenansicht eines Männchen mit Strohhut, das auf dem Boden hockt und Speisen zu sich nimmt."

TABE

Und was erkennen Sie in diesem Schriftzeichen?